SÜDAFRIKA: Kirstenbosch – Botanischer Garten am Tafelberg

Der Botanische Garten Kirstenbosch in Kapstadt in Südafrika zählt zu den artenreichsten und schönsten der Welt. Während Botanische Gärten andernorts vor allem exotische Pflanzen zeigen, geht es in Kirstenbosch um heimische Arten. Zu den Highlights gehören die endemische Fynbos-Vegetation und die typisch südafrikanischen Proteen.

Afrika-Kenner Oliver Gerhard stellt als vonREISENundGAERTEN-Gastautor den südafrikanischen Garten vor – mit seiner Traumlage am Fuße des Tafelbergs – direkt am Atlantischen Ozean.

 

Der Botanische Garten Kirstenbosch liegt direkt am Fuße des Tafelbergs in Kapstadt.

Der Botanische Garten Kirstenbosch ist einfach großartig gelegen – direkt am Fuße des Tafelbergs in Kapstadt.

„Und jetzt Wasser treten!“, ruft der Vorturner. Ein Dutzend Männer und Frauen in weißen Jacken und Mützen heben die Füße wie Störche in die Luft und setzen sie wieder in ein imaginäres Wasserbecken. Es ist neun Uhr, die Köche und Küchenhelfer des Restaurants Moyo im Botanischen Garten Kirstenbosch bereiten sich mit Morgengymnastik auf den Ansturm des Tages vor – unter den schmunzelnden Blicken der ersten Besucher.

Der Vormittag ist die beste Zeit, um Kapstadts Botanischen Garten zu erleben: Dann taucht die Sonne die Hänge des Tafelsbergs, über die sich die Anlage erstreckt, in ihr schönstes Licht. Jogger traben über die gepflasterten Wege, vorbei an Scharen plappernder Kinder in blauen Schuluniformen, die Hand in Hand und in Zweierreihen ihrer Lehrerin folgen. Familien breiten Decken auf den Grasflächen aus, der Nachwuchs stürzt sich auf den Picknickkorb.

 

 

 

Kapstadt 24

Gärtner Andrew Jacobs

Gärtner vom Kap
„Kirstenbosch ist die grüne Seele von Kapstadt“, sagt Andrew Jacobs, der dienstälteste Gärtner im Park, der hin und wieder Besucher führt. Der betagte Südafrikaner ist prädestiniert für diese Aufgabe: Die gute Laune scheint ihm nicht auszugehen, ebensowenig wie die Begeisterung für „seinen“ Garten – „laut Top-Botanikern einer der sieben Besten der Welt“, wie er sagt.

Im Jahr 2013 feierte Kirstenbosch seinen 100. Geburtstag: Am 1. Juli 1913 wurde der Garten gegründet, damals mit einem Budget von 1.000 Pfund im Jahr. Einstiges Farmland hatte man dafür umgewandelt, aus Europa eingeschleppte Pflanzen vernichtet, marodierende Wildschweine verjagt, Wege und Beete angelegt – mit Eseln und Handkarren.

 

Extreme Pflanzenvielfalt
Heute bedeckt der Park mehr als 36 Hektar inmitten eines 528 Hektar großen Naturschutzgebietes, zählt mehr als 7.000 Pflanzenarten und gehört als Teil des Kap-Pflanzenreiches zum Weltkulturerbe. „In der Kapregion findet man auf kleinstem Raum die höchste Konzentration von Pflanzenarten weltweit“, erklärt Jacobs. Rund zwei Drittel der Arten sind endemisch, darunter so seltene wie der Silver Tree: „Davon existieren nur noch drei Haine – alle hier am Tafelberg“, sagt der Guide.
Jacobs arbeitet seit rund 60 Jahren in Kirstenbosch. Über die Zeit der Apartheid befragt, wird er einsilbig, nur soviel will er verraten: „Ich hatte einen weißen Kollegen, der mich sehr gefördert hat – ohne Ansehen der Hautfarbe.“ Dann springt er lachend zur nächsten Anekdote, zeigt die mit 18 Metern höchste Aloe und führt in das Versteck von zwei Schleiereulen im Tiefschlaf.
Dann schlägt er sich seitlich in die Büsche, die Besuchergruppe im Schlepptau, die bald staunend vor einem breiten, mächtigen Baum steht, dessen Äste sich wie die Fangarme einer Krake mehrere Meter in alle Richtungen über den Boden winden. „Ein Wilder Mandelbaum“, sagt Jacobs. „Der älteste Baum hier im Garten.“

Grüne Seele von Kapstadt
Es ist überliefert, dass der Baum 1660 von Jan Van Riebeeck gepflanzt wurde, dem Gründer der Kapkolonie. Das Gewächs diente als Teil einer „grünen Mauer“ zum Schutz vor den Ureinwohnern der Khoikhoi, die in Kirstenbosch traditionell ihre Tiere weiden ließen und damals erbittert um ihr Land kämpften – vergeblich.
Auch spätere Besitzer von Kirstenbosch hinterließen Spuren: Die ersten Siedler nutzten die Hänge zum Holzabbau, einige ihrer Pfade werden heute noch begangen. Anfang des 19. Jahrhunderts besaß Colonel Christopher Bird das Gebiet, er vermachte der Nachwelt einen kleinen Swimmingpool in Form eines Vogels – ein romantischer, verwunschener Platz inmitten des heutigen Gartens.

Gold von Nelson Mandela
1895 kaufte Cecil John Rhodes Kirstenbosch. Der Premierminister der Kapkolonie ließ eine Allee aus Kampfer- und Feigenbäumen pflanzen, die heute ein schattiges Dach über dem Eingangsbereich bildet. Sogar Nelson Mandela hat sich verewigt: Dem ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas wurde bei seinem einzigen Besuch eine Pflanze gewidmet: „Mandelas Gold“ steht direkt am Parkeingang.

450 Baumarten im Arboretum
Im Laufe der Jahre kamen immer neue Abteilungen hinzu: ein Arboretum mit 450 Baumarten, ein „verzauberter Wald“ mit Drachenbäumen, eine große Sektion mit Proteen, die im Herbst rosa, lila und cremefarben erblühen, ein Blindenpfad und ein Beet der Düfte. „Ihr habt noch nicht genug?“, fragt Andrew Jacobs, und zeigt auf einen schmalen Pfad in Richtung einer Felswand. „Hier geht es direkt auf den Tafelberg, 900 Höhenmeter durch die unberührte Vegetation des Kap-Pflanzenreichs.“
Wer auf den Gipfel wandern möchte, hat die Qual der Wahl, es soll mehr als 100 Routen geben: steil und kurz oder lang und ausdauernd, still und einsam oder im Pulk mit Tagestouristen, von vorne über den front table oder von hinten über den back table. Die angeblich schönste Route führt von den Kirstenbosch Gardens über die Skeleton Gorge.

Seltener Silver Tree
Blütendüfte liegen in der Luft, wenn man die gepflegten Wege des Parks verlässt und die Ausläufer des Urwalds erreicht, der Teile des Berges bedeckt. Am Anfang des Weges stehen Bäume mit silbrig schimmernden Blättern, die sich weich anfühlen: der seltene Silver Tree! Mit ihren weißen Härchen sind die Blätter in der Lage, die heißen Sonnenstrahlen zu reflektieren. Neben vielen seltenen Arten wachsen aber auch Pinien und Eukalyptus – so genannte „Aliens“, von den Europäern eingeführte Pflanzen, die einheimische Arten verdrängen. Langfristig sollen sie ausgemerzt werden.

Legendäre Skeleton Schlucht
Steil geht es durch den schattigen Wald aufwärts, hin und wieder überbrücken Leitern einen unwegsamen Abschnitt. Wasser rieselt in die Tiefe – der magere Rest eines Wasserfalls, der jeden Winter durch die Skeleton Gorge tost. Eine schaurige Geschichte gibt es zum Namen ‚Skelettschlucht’ nicht: kein Friedhof der Buschleute, kein verunglückter Tourist. Vermutlich musste das Skelett einer Kuh für die Namensgebung herhalten.
Der portugiesische Admiral Antonio de Saldanha bestieg den Tafelberg 1503 als Erster. Rund 300 Jahre später bezwang Lady Anne Barnard den 1.087 Meter hohen Gipfel als erste Frau. Die Lady und ihre Begleiter waren damals mit Dienern unterwegs, die Schachteln mit Wein und kaltem Fleisch trugen, wie sie in ihrem Tagebuch vermerkte. Auf halber Strecke tranken sie Portwein gemischt mit frischem Quellwasser. Um später lauthals „God save the king“ anzustimmen.

Südafrikas Fynbos-Vegitation
An der Vegetation in den Höhenlagen dürfte sich seitdem nur wenig geändert haben: Surrende Kaphonigfresser kündigen den Fynbos an – diese Vögel mit ihrem langen spitzen Schnabel lieben den Nektar der geschützten Proteen. Jenseits des schattigen Waldes hängt oft Nebel über den blühenden Zuckerbüschen, wie die Proteen auch genannt werden. Struppige Büsche, flache Nadelhölzer, winzige Blüten und Früchte sind charakteristisch für den Fynbos hier oben auf dem Gipfelplateau. Bald steht man dann an der Kante des Gipfelplateaus, mit Kapstadt und dem Atlantik zu Füßen.

Foto des botanischen Gartens Kirstenbosch in Kapstadt in Südafrika

Der Botanische Garten Kirstenbosch in Kapstadt in Südafrika

 

OliverGerhard 1
Oliver Gerhard ist freier Reisejournalist, Buchautor, Fotograf und Blogger. Als Redakteur betreut der in Berlin lebende Kollege das SÜD-AFRIKA Magazin und das KANADA Magazin. Als “Kanada-Blogger” teilt er Fotos und Geschichten aus dem Land mit dem Ahornblatt. Im Rahmen seiner Recherchereisen stößt er auch immer wieder auf besondere Gärten. Mehr über seine Arbeit unter www.foto-reportage.de. Sein Kanadablog ist unter www.kanada-blogger.com zu finden.

 

WAS IST NOCH GUT ZU WISSEN?

INFORMATIONEN: Botanischer Garten Kirstenbosch: Rhodes Drive, Newlands, www.sanbi.org/gardens/kirstenbosch
Der Garten veranstaltet 90-minütige geführte Touren zu den jeweiligen Pflanzen-Highlights der Jahreszeit, Teilnahme kostenlos. Ein Audio-Guide ist auf englisch und deutsch verfügbar.

REISEZEIT: In Südafrika herrscht das Klima der Südhalbkugel. Hochsaison ist im Sommer von November bis Februar. Empfehlenswerte Reisezeiten liegen im Herbst (März/April) und Frühling (September/Oktober) mit angenehmen Temperaturen und wenig Touristenströmen. Die Hauptblütezeit beginnt im August/September und reicht bis November.

TIPP-VERANSTALTUNGEN: Von November bis April finden jeden Sonntag die Kirstenbosch Summer Sunset Concerts statt, eine Konzertreihe mit südafrikanischen, aber auch internationalen Musikgrößen. Picknickkörbe sind in den Restaurants von Kirstenbosch erhältlich.

TIPP-ÜBERNACHTUNG: Direkt am Fuße des Tafelberges, ruhig, aber dennoch fußläufig zur Partymeile Long Street liegt das Rosedene Guest House mit kleinen komfortablen Zimmern, Innenhof und Pool, reichhaltiges Frühstück.  www.rosedene.co.za

BESONDERS: Die Wanderung auf den Tafelberg sollte unabhängig von der Route nicht unterschätzt werden, eine gute Kondition ist Voraussetzung. Wanderstiefel sind ratsam, außerdem sollten Sonnenschutz und -brille, ausreichend Wasser, Regenbekleidung sowie ein Pullover im Gepäck sein – das Wetter auf dem Gipfelplateau kann jederzeit umschlagen. Die Besteigung ist ganzjährig möglich, in den Wintermonaten kann es jedoch sehr regnerisch sein. Aus Sicherheitsgründen wird empfohlen, die Wanderung nur in der Gruppe oder mit einem Bergführer zu unternehmen. Unbedingt vorher sicherstellen, ob die Seilbahn (für die Rückfahrt) regulär verkehrt. Wanderführerin Margaret Curran bietet geführte Touren an. www.tablemountainwalks.co.za

WEITERE INFOS ZUM REISELAND Kapstadt: www.capetown.travel


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