INTERVIEW: Kulturmanager Hermann Parzinger im Garten

Hermann Parzinger ist der Präsident der „Stiftung preußischer Kulturbesitz“, Deutschlands größter Kulturstiftung, weltweit einzigartig. Dazu gehören viele Museen mit den großartigsten Kunstschätzen ebenso wie das Projekt „Humboldt Forum“ im neu errichteten Berliner Schloss.

Der hochdekorierte Wissenschaftler und Kulturmanager schätzt auch die Gartenkunst. In seinem privaten Garten im Bayerischen Wald bevorzugt er allerdings eine „gezähmte“ Natürlichkeit. „Bitte keinen englischen Rasen, das würde einfach nicht passen“, meint er.
So oft es geht, manchmal sogar nur für ein Wochenende, fährt Hermann Parzinger von Berlin nach Bayern in seinen Garten mit einem Jahrhunderte alten Haus. Für ihn ist das ein Stück Heimat.

vonREISENundGAERTEN
hat Hermann Parzinger (*1959) in Berlin getroffen und mit ihm über seine Beziehung zum Garten gesprochen. Das Gespräch fand in seinem Amtssitz in der Villa-von-der-Heydt statt, deren Garten übrigens ursprünglich von dem preußischen Landschaftskünstler Peter Joseph Lenné (1789-1866) gestaltet wurde.

Die Fragen lehnen sich an den berühmten Proust’schen Fragebogen an. Proust im Garten – Persönlichkeiten und ihre Gartenleidenschaft.

 

Hermann Parzingers privates Gartenmotto: „Gezähmte Natürlichkeit statt englischem Rasen“

 

Der Kulturmanager Hermann Parzinger im Garten der Villa-von-der-Heydt

Hermann Parzinger im Garten der Villa-von-der-Heydt, dem Sitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin


Herr Parzinger, verspüren Sie eine Garten-Sehnsucht? Wann ist diese geweckt worden?
Ja, ein wenig Sehnsucht habe ich schon. Das hängt damit zusammen, dass ich selbst in ein Haus mit Garten geboren wurde. Meine Eltern hatten in den späten 50er Jahren ein Haus mit Garten in einem Vorort von München gebaut.
Meine ganze Kindheit und Jugend verbrachte ich in diesem Garten. Da blühten Blumen. Es gab Obstbäume und Sträucher, wo ich mich als Kind versteckte. Es wuchsen dort Johannis- und Stachelbeeren, die wir im Sommer ernteten.
In diesem Familiengarten bekam ich mit, wie Bäume sich entwickeln. Da lernte ich, dass man Büsche schneiden und Rasen mähen muss. Im Sommer den Garten gießen, das war für mich selbstverständlich. Das alles gehörte für mich immer dazu.
Als ich dann wegging, um zu studieren und nur ein Zimmer zum Wohnen hatte, ging das Bewusstsein für den Garten etwas verloren. Später kam es dann wieder.
Jetzt lebe ich in Berlin in einer Wohnung, da ist ein kleiner Garten dabei. Der ist so groß, dass er nicht zur Belastung wird, aber man kann ab und zu etwas tun. Das ist schon ganz schön!

Können Sie sich an Ihr erstes Gartenerlebnis erinnern?
Ganz, ganz dunkel erinnere ich mich da an eine Plastikbadewanne. Die stand auf dem Rasen in unserem Garten. Es war Sommer. Ich saß als Kind in der Wanne und wurde von meiner Mutter gewaschen. Mitten zwischen den Pflanzen.

Welche Beziehung hatte Ihre Familie zu Gärten?
Beide Eltern sind nicht wirklich mit Gärten aufgewachsen.
Mein Vater wuchs in Niederbayern in dem Haus auf, welches ich heute besitze, damals mit kleinem Garten. Da war der Garten eher praktischer Natur, nicht aufwändig angelegt. Meine Mutter war ohne einen richtigen Garten aufgewachsen.
Beide Eltern haben erst eine wirkliche Beziehung zum Garten entwickelt, als sie ihren eigenen hatten. Sie hatten beide Spaß daran. Sie freuten sich über das Stück Natur, das man für sich hatte.

Welcher Garten macht Sie glücklich?
Es ist wohl wirklich mein eigener Garten im Bayerischen Wald. Den habe ich in den letzten Jahren hergerichtet.
Der Garten ist einerseits urwüchsig. Er liegt in einer hügeligen Landschaft mit einem Haus am Hang. Das finde ich schön. Da schaut mal ein Granitfelsen raus, da sind Böschungen. Da ist nichts gerade wie etwa in einem symmetrisch angelegten Park mit englischem Rasen. Das finde ich zwar wunderbar anzusehen, muss ich aber selbst nicht haben.
Das soll aber andererseits nicht heißen, dass man seinen Garten verwildern lässt. Das mag ich gar nicht. Wenn Sträucher hochwuchern, muss man sie schneiden. Die Gestaltung möchte ich schon selbst in der Hand haben. Mit Freude pflanze ich Gehölze und Bäume selbst. Auch Blumen und Rosen gibt es. Aber bitte eben keinen englischen Rasen.

Das hört sich nach „gestalteter Natürlichkeit“ an?
Ja genau! Eine Mischung aus Gestaltung und dann aber auch Natürlichkeit.

Welchen Charakter hat Ihr Garten?
Der Charakter meines Gartens spiegelt eine Natürlichkeit wieder, aber eine gezähmte Natürlichkeit.
Man sieht das zum Beispiel in der Anordnung der Büsche. Die ist eben nicht so künstlich, so wie es etwa zu einem englischen Rasen passen würde, also wie an einer Schnur ausgerichtet. Es sind nicht in regelmäßigen Abständen gepflanzte gleichförmige Sträucher, das finde ich nicht gut. Bei mir sieht es natürlicher aus, doch gleichzeitig ist zu erkennen, dass dahinter eine gewisse Planung steckt.

Was wäre das größte Unglück für Ihren Garten?
Wenn das, was man mühsam gepflanzt hat, eingehen würde.

Welche Gärtner-Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Vielleicht, wenn jemand zu dicht bepflanzt oder zu wenig dicht… das kann passieren.

Was verabscheuen Sie am meisten im Garten?
Was ich gar nicht haben kann, ist, wenn man seinen Garten vollkommen verwildern lässt. Wenn alles überwuchert ist, das finde ich wirklich schwer erträglich.
Was ich aber auch nicht mag, wenn Gärten zu gekünstelt sind, dazu dann vielleicht noch mit Gartenzwerge, schrecklich… Ich mag die Natürlichkeit, aber man sollte noch eine gewisse Handschrift erkennen.

Was ist Ihre Lieblingsbeschäftigung im Garten?
Rasenmähen mache ich nicht so schrecklich gerne. Aber Sträucher schneiden – das finde ich schöner. Das Pflanzen selbst macht vor allem meine Frau. Ich muss die Löcher graben, das Einpflanzen macht sie dann.

Was ist Ihre Lieblingsfarbe im Garten?
Weiß und Rot, aber zwischen viel Grün.

Wer ist Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte großer Gartenliebhaber?
Lenné oder auch Leibniz in Herrenhausen. Da kann man schon von Gartenkunst sprechen. Aus der Vogelperspektive betrachtet, erkennt man die Symmetrien noch besser. Das ist für mich Kunst, keine Frage.

Welche Musik hören Sie im Geiste, wenn Sie in einem schönen Garten flanieren?
Das kommt immer darauf an: Wenn ich in einem Schlossgarten bin, dann klassische Musik, Bach vor allem. Wenn ich in meinem eigenen Garten bin, kann das sehr unterschiedlich sein. Nicht unbedingt klassische, denn dann müsste der Garten ein Kunstwerk sein statt gezähmter Natur.

Was ist Ihre Lieblingsblume im Garten?
Mit Blumennamen kenne ich mich leider schlecht aus. Aber Rosen oder auch Lavendel finde ich schön. Die habe ich in meinem Garten.

Welche Pflanzen mögen Sie besonders?
Farne finde ich etwas ganz Besonderes. Sie zählen ja zu den ältesten Pflanzen der Welt überhaupt. Gerade im Bayerischen Wald, einem sehr alten Gebirge, ist der Anteil solcher Urzeitpflanzen sehr hoch. Ganze Teppiche gibt es da. Ich habe mir einige besorgt und in meinen Garten gepflanzt. Die sind einfach wunderschön.

Glauben Sie, der „grüne Daumen“ ist eine natürliche Gabe?
Ja, das könnte ich mir vorstellen. Man mag es vielleicht auch lernen können, doch man braucht einen Zugang. Den muss man manchmal wecken. Dann merkt man, dass Gärtnern sehr befriedigend ist, denn man ist ja dabei auch sehr kreativ.
Das ist eine alte Kreativität mit großem Entspannungspotential. Man ist draußen und dazu sieht man schnell Ergebnisse. Und es ist etwas Wunderbares, wenn man sieht, wie die Pflanzen, die man eingesetzt hat, schön wachsen.
Umso mehr, wenn man nicht ständig gießen kann, weil man nicht vor Ort lebt. Dann kommt man nach einigen Wochen wieder und die Pflanze ist gewaltig gewachsen. Das ist sehr beglückend!

Ist irdisches Glück ohne Garten für Sie vorstellbar?
Naja, vielleicht schon. Aber der Garten ist in gewisser Weise das I-Tüpfelchen im Leben.

Und Ihr Garten-Motto? Gibt es eines?
Ein Garten sollte Aufenthaltsqualität haben! Das Ganze soll ja nicht nur Kunstwerk sein, sondern auch ein Garten zum Gebrauchen. Mein Garten ist nicht nur zum Betrachten, sondern auch zum Benutzen da.

Interview: Daniela David
(2017)

Der Archäologe Hermann Parzinger bereiste viele Orte in der Welt, darunter auch Sanaa im Jemen. Die Altstadt zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe.

 

WAS IST NOCH GUT ZU WISSEN?

Seit wann gibt es eigentlich Gärten überhaupt?
Eine Frage an den Archäologen Hermann Parzinger: „In der Menschheitsgeschichte hatte man bereits früh begonnen, Gärten anzulegen, bereits im Neolithikum, also im 6. Jahrtausend vor Christus. Aufgrund von Pollenprofilen in der Nähe von Siedlungen hat man Hinweise, dass es um die Häuser herum Gärten gab, wo bestimmte Pflanzen angebaut wurden. Man kann also davon ausgehen, dass mit Beginn der Sesshaftwerdung und dem Gründen von Dörfern der Mensch auch schon Gärten angelegt hat.“

Was macht Hermann Parzinger in seiner Freizeit, wenn er nicht gerade im Garten buddelt oder Judo trainiert?
Er schreibt und publiziert trotz seines stattlichen Arbeitspensums als Stiftungspräsident. „Schreiben ist für mich Erholung, nicht Arbeit.“

Womit beschäftigt sich Hermann Parzinger sonst noch?
Der Prähistoriker ist ein international renommierter Skythen-Forscher. Als Archäologe hat er sogar einmal ein intaktes Grab eines skythischen Fürsten in Sibirien entdeckt.

LITERATUR-TIPP:  Wer sich für diese antiken Reiternomaden interessiert, dem sei das kleine, gut lesbare und sehr informative Taschenbuch empfohlen: Hermann Parzinger, Die Skythen, 3. Auflage, 2010, C.H.Beck Verlag Wissen, ISBN 978-3-406-50842-4

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Zuletzt spannt der Wissenschaftler einen großen Bogen. Sprachlich gelungen erzählt er von der Frühzeit des Menschen. Anschaulich fasst der Archäologe die vorhandenen Zeugnisse zusammen und beschreibt die Entwicklung der frühen Kulturen auf den Kontineten. Auch der Beginn des Pflanzenanbaus und der ersten Gartenkulturen wird behandelt: Hermann Parzinger, Die Kinder des Prometheus. Eine Geschichte der Menschheit vor der Erfindung der Schrift, 848 Seiten, 5. Auflage, 2016, C. H. Beck Verlag, ISBN 978-3-406-66657-5

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WEITERE INFOS zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz:  www.preussischer-kulturbesitz.de


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