INTERVIEW: Blumenkünstlerin Rebecca Louise Law

Rebecca Louise Law ist eine Künstlerin mit Leidenschaft für Blumen. In der ganzen Welt kreiert sie Installationen und Skulpturen aus frischen Schnittblumen, die dann langsam trocknen: florale Kunstwerke. In Deutschland hat die Blumenkünstlerin erstmals in Berlin im Bikini-Haus ausgestellt. Zarte Blumenkunst mit 30.000 Blüten im Zentrum der deutschen Hauptstadt.

 

Rebecca Louise Law Berlin Bikini 32

Blumeninstallation von Rebecca Louise Law in Berlin

Blumenkünstlerin Rebecca Louise Law: „Ich gebe jeder Blume einen Wert.“

 

vonREISENundGAERTEN:   Rebecca, können Sie sich noch an Ihre früheste Begegnung mit Blumen erinnern?

REBECCA LOUISE LAW:    An zwei Dinge erinnere ich mich besonders. Als Kinder spielten wir immer draußen im Blumengarten. Meine Eltern trockneten die Blumen aus dem Garten im Dachboden. Wenn es regnete, war es schön, dort zu spielen. Der Duft der Blumen ist mir noch ganz gegenwärtig. So war ich als Kind immer von Blumen umgeben.
Meine erste, wirklich überwältigende „Blumenerinnerung“ ist an ein riesiges Feld von Gänseblümchen. Mein Vater, der Gärtner war, kam eines Tages nach Hause und sagte: „Ihr müsst dieses Gänseblümchen-Feld sehen!“ Er packte die ganze Familie ins Auto. Und dann war da diese Blumenwiese. Die Gänseblümchen waren überall! Jeder hatte eine Kamera und knipste. Nur ich nicht. Ich saß da einfach inmitten der Wiese… diese Atmosphäre… es war fantastisch! Ich glaube, diese Erinnerung bleibt mir für immer. Vor allem, wie glücklich ich war, als Kind von Natur umgeben zu sein.

vonREISENundGAERTEN:   Also Ihre frühesten Erinnerungen sind Blumen auf Wiesen als auch getrocknete Blumen?

REBECCA LOUISE LAW:    Ja. Und meine Großmutter presste Blumen hinter Glas. Sie schuf richtige Bilder daraus, wie Ölgemälde. Ich erinnere mich daran, als ich Kind war, dass bei uns immer auch nicht frische Blumen verwendet wurden. Es war nie für mich ungewöhnlich, Blumen überhaupt als „Material“ zu verwenden.

Rebecca Louise Law Berlin Bikini 25

Blumenkünstlerin Rebecca Louise Law

vonREISENundGAERTEN:   Mit welchen Blumen arbeiten Sie heute hauptsächlich?

REBECCA LOUISE LAW:    Ich würde sagen Rhododendron. Die sind wirklich außergewöhnlich. Auch Meerlavendel setze ich ein. Und Hortensien, wenn es die richtige Jahreszeit ist.

vonREISENundGAERTEN:   Sicherlich haben Sie zu den einzelnen Blumenarten eine spezifische Beziehung. Gibt es jenseits der Blumen, die Sie für Ihre künstlerische Arbeit einsetzen, auch eine Lieblingsblume nur für Sie selbst – nicht für die Kunst?

REBECCA LOUISE LAW:    Meine Lieblingsblume – nur für mich – ist die Gartenrose. Aber die eignet sich nicht für meine Kunst. Es ist einfach ihr Duft … und wie schnell sie sich ändert. Sie ist zauberhaft im Garten!

vonREISENundGAERTEN:   Meinen Sie damit die klassische alte Englische Gartenrose?

REBECCA LOUISE LAW:    Ja. Ich liebe ihren Duft. Den Geruch vieler anderer Blumen mag ich nicht wirklich. Wenn es zu viel ist, ist es zu viel. Aber den Duft der Rose, den liebe ich wirklich.

vonREISENundGAERTEN:    Eine sehr klassische Wahl…  Wie kam es zu Ihrer Idee, Kunstwerke aus frischen Schnittblumen zu schaffen?

REBECCA LOUISE LAW:    Als ich an der Universität Kunst studierte und meinen Abschluss machte, malte ich. Dabei wurden meine Gemälde immer größer und größer. Irgendwann meinte mein Vater: „Wenn Du noch größere Bilder malst, muss ich einen Lkw anschaffen.“ Er war schon etwas angesäuert. Doch ich wollte keine kleineren Bilder malen. Aber irgendwie mussten die Bilder ja noch durch die Tür passen. So entwickelte ich dreidimensionale Werke. Ich experimentierte mit Obst und anderen Materialien. Also 3D statt riesige zweidimensionale Bilder. Am Ende „malte“ ich mit Dingen. Als ich eines Tages nach Hause kam und bei meinem Vater, der als Gärtner arbeitete, viele Blumen sah, fragte ich ihn einfach: „Kann ich die haben?“ Uns so brachte ich ein ganzes Auto voll Gänseblümchen in mein Atelier und kreierte meine erste Blumen-Installation.

vonREISENundGAERTEN:    Gemälde und Blumen-Installationen – was macht den Unterschied für Sie aus?

REBECCA LOUISE LAW:    Was mich tief berührt, ist die Interaktion zwischen Blumen und Betrachter, dieses Gefühl für Farben, für die Natur. Heute male ich noch immer, doch habe ich mit den Blumen eine größere emotionale Einlassung. Ich sah, wie die Menschen fasziniert sind von den konservierten Blumen, wie sie diese langsame Veränderung des Trocknens genau beobachten, wie die Blumen schrumpfen und ihre Farben verändern. Da habe ich mit Blumen weiter experimentiert und Skulpturen aus ihnen geschaffen.

vonREISENundGAERTEN:   Und im künstlerischen Prozess, wie unterscheiden sich da Malen und Blumen-Installationen?

REBECCA LOUISE LAW:    Ich stecke meine Energie, vor allem meine physische Energie in die Blumen-Kunst. Das Malen ist viel ruhiger, langsamer. Es beansprucht nicht meinen ganzen Körper, meine ganze Energie. Aber ich fühle, dass ich alle Energie für die wirklich großen Projekte einsetzen muss. Ich male eben jetzt mit Blumen.

vonREISENundGAERTEN:    Sie haben auch Installationen mit Äpfeln gemacht, zum Beispiel in einer Kirche. Mit welchen anderen Materialien arbeiten Sie noch?

REBECCA LOUISE LAW:    Grundsätzlich ist es eine Frage von Farbe und Form, weniger des Materials. Ich modelliere quasi mit allem, was man mir gibt. Inzwischen habe ich soviel Wissen über das Arbeiten mit Blumen, ich kenne und verstehe das Material sehr gut.  Es hat mich 13 Jahre Zeit gekostet, dieses Know-how zu erreichen, das zu wissen, was ich nun über die Blumen weiß und die Installationen zu bewerkstelligen, die ich nun schaffe. Stellen Sie sich vor, wo ich in zehn Jahren sein werde! Da werde ich mich mit den Blumen noch viel weiter entwickelt haben.  Es wäre dumm, diese Reise nicht weiter zu machen.

vonREISENundGAERTEN:    Erlangen Sie für die Blumen-Skulpturen Inspiration aus der Malerei?

REBECCA LOUISE LAW:    Nein, meine Inspiration kommt immer aus der Natur. Vor allem wenn ich auf die Strukturen, die Muster, die Texturen der Natur blicke. Selbst Gras inspiriert mich. Es ist einfach faszinierend, was wir alles von der Natur geschenkt bekommen. Diese winzigen Grashalme etwa… Ich suche in der Natur immer auch die ganz kleinen Dinge.

vonREISENundGAERTEN:    Sicherlich verbringen Sie viel Zeit im Grünen? Wo finden Sie die Natur zur Beobachtung?

REBECCA LOUISE LAW:    Ich lebe in London. Es ist frustrierend, in Betonstädten zu wohnen. Zum Glück leben meine Eltern auf dem Land. Dort durchstreife ich die Felder.

vonREISENundGAERTEN:    Setzen Sie die Blumen auch als Symbole ein?

REBECCA LOUISE LAW:    Ja, durchaus. Für jedes Land recherchiere ich vorher genau, welche Blumen und Farben welche Bedeutung haben.

vonREISENundGAERTEN:    Wie bereiten Sie eine Installation vor?

REBECCA LOUISE LAW:    Es bedarf sehr viel Vorarbeit. Ich überlege genau, wie viele Blumen ich brauche und wo sie hinkommen sollen, wie die Mischung sein soll.

vonREISENundGAERTEN:    Wissen Sie vorher schon, wo genau eine einzelne Blume platziert wird?

REBECCA LOUISE LAW:    Das ist mein Geheimnis. Die Blumen werden an Kupferdrähten befestigt, die eine Armspanne lang ist, also zwischen 1,5 und 2 Metern lang. Alles ist handgemacht. Ich mag diesen “human touch”.  So entsteht Vielfalt. Zwischen den Blumen bilden sich unterschiedliche Abstände. Du kannst Natur einfach nicht kontrollieren, ebenso wenig wie Menschen.

vonREISENundGAERTEN:    Wie viele Personen helfen bei einer Blumeninstallation mit?

REBECCA LOUISE LAW:    Alles muss dabei sehr schnell gehen, wenn die Blumen frisch sind. Es darf kein langsamer Prozess sein. In Berlin hatte ich 20 Helfer, die vier Tage lang mit den Blumen beschäftigt waren.

vonREISENundGAERTEN:    Die Blumen hängen bei Ihnen von oben mit dem Kopf nach unten. Warum?

REBECCA LOUISE LAW:    Das ist die Technik, so trocknen sie am besten.

vonREISENundGAERTEN:   Es scheint mir, bei Ihnen vielleicht auch eine Erinnerung an Ihre Kindheit – an die hängenden Blumen auf dem Dachboden ihrer Eltern – zu sein…
(Rebecca lächelt und nickt.)

vonREISENundGAERTEN:    Wie verändern sich Pflanzen in der Zeitspanne der Installation?

REBECCA LOUISE LAW:    Die Farben sind am Anfang hell und intensiv. Langsam schrumpfen die Blumen. Die Farben werden dunkler. Wenn die Blumen wirklich trocken sind, werden sie ganz zart. Ich mag sie besonders am Anfang und dann am Ende, wenn sie ganz getrocknet sind. Dazwischen ist es so…, naja. Toll ist es für Leute, die sich täglich nahe in der Installation aufhalten oder dort arbeiten. Sie können die tägliche Veränderung beobachten.

vonREISENundGAERTEN:   Sie arbeiten mit Ihren Installationen inzwischen weltweit?

REBECCA LOUISE LAW:    Ja, ich war dafür in Japan, Neuseeland, Griechenland, Australien und 2017 gehe ich auch dafür nach Dänemark.

vonREISENundGAERTEN:    Wer sind Ihre Auftraggeber?

REBECCA LOUISE LAW:    Ich arbeite viel für Galerien, vor allem in London. Mehr und mehr arbeite ich inzwischen auch mit Architekten zusammen, so dass meine Installationen Teil eines Gebäudes werden. Gerade habe ich in Australien eine Installation mit 150.000 Blumen gemacht.
(Rebecca zeigt mir ein Foto davon auf ihrem Smartphone. Da sehen ihre Blumen wie Korallen aus. Wie verletzliche Wesen…)
Viele Auftraggeber haben zuvor noch nie Blumen als Material für Kunst in Erwägung gezogen. Nie ist es einfach. Jeder Ort ist eine Herausforderung. Ich mag das.

vonREISENundGAERTEN:    Was ist der Unterschied zwischen Ihrer Kunst und einer elaborierten Floristenarbeit?

REBECCA LOUISE LAW:    Ich mache keine Hochzeitsdeko. Millionen Blumen für einen Tag – das interessiert mich nicht. Das empfinde ich als Verschwendung.
Meine Kunst muss mich weiterbringen. Ich arbeite hart daran. Es geht bei mir soviel Zeit und Arbeit in ein Stück. Wenn Besucher meine Installationen betrachten, entsteht etwas Interaktives. Das ist das Besondere.

vonREISENundGAERTEN:    Können Sie jeden beliebigen Raum für Ihre Installation nutzen?

REBECCA LOUISE LAW:    Je weniger drin ist, umso besser. Am besten sollte der Raum ganz leer sein. So kann die Installation besser wirken. Kunstwerke brauchen ihren Raum. Was die Größe angeht: Je größer, desto besser.

vonREISENundGAERTEN:    Wo möchten Sie zukünftig ausstellen?

REBECCA LOUISE LAW:    Gerne stelle ich in Industriegebäuden aus. Mein absoluter Traum aber wäre die “Tate Modern Gallery” in London.

vonREISENundGAERTEN:    Ihre Installation in Berlin wirkt wie ein bunter hängender Garten an der Decke, unter dem man hindurch schlendert. Wie war das Arbeiten im Bikini-Haus im Zentrum von Berlin für Sie?

REBECCA LOUISE LAW:    Stets versuche ich, mit dem Raum zu arbeiten, nicht gegen die Architektur. Dabei mag ich keine harten Linien. Für mich muss es weich sein, feminin. Daher möchte ich Weiblichkeit und Natur in das Gebäude einbringen. Natur passt hier, so dicht am Zoo mit Blick auf die Affen.
Hier in Berlin war die Vorgabe, dass die Installation so hoch hängen sollte, dass sie von unten nicht zu erreichen ist. In öffentlichen Räumen arbeite ich grundsätzlich anders als etwa in einer Galerie.

vonREISENundGAERTEN:    Und Berlin? Was bedeutet Berlin für Sie?

REBECCA LOUISE LAW:    In Berlin fühle ich mich sehr wohl. Das ist meine erste Installation hier. In Berlin begrüßt man das Neue. Dabei ist es keine gefällige “pretty girly city”. Die Stadt interessiert mich sehr.

vonREISENundGAERTEN:   Wie geht es mit den Blumen der Installation?

REBECCA LOUISE LAW:    Am Ende der Ausstellung gestalte ich mit den getrockneten Blumen neue Skulpturen, die verbleiben. Bei mir wird jede einzelne Blume Teil des Ganzen, mit ihrer Form, ihrer Farbe. Ich gebe der Blume einen Sinn in einem größeren Bild. Sozusagen verleihe ich damit der toten Blume neuen Wert, neues Leben.

vonREISENundGAERTEN:    Also fast wie beim Menschen, der als Teil eines großen Ganzen, einer Idee, einer Gesellschaft, oft eine andere, neue Bedeutung gewinnt.

Interview: Daniela David
(2016)

Rebecca Louise Law Berlin Bikini 33

Das langsame Trocknen der einzelnen Blüten dauert viele Tage: zarte, sich beständig verändernde Kunst.


WAS NOCH GUT ZU WISSEN IST:

Rebecca Louise Law: Blumenkünstlerin, Malerin, Gärtner als Vorfahren (Vater, Großvater, Urgroßvater…), wohnt in London.

TIPP LONDON: Rebaccas Blumenatelier ist in London zu besichtigen. Zu ihren Projekten zählt unter anderem „The City Garden“ in London.
www.rebeccalouiselaw.com

Die Ausstellung fand 2016 in Berlin fand in der „Bikini Berlin Concept Shopping Mall“ statt.
www.bikiniberlin.de

 

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